Den Versuch zu unternehmen, als Laie in Sachen Architektur (-Geschichte) einen singulären Bau wie die Hagia Sophia zu beschreiben, wäre ein Akt der Selbstüberschätzung. Daher beschränkt sich der Bearbeiter darauf, die Geschichte dieses Wahrzeichens der Metropole Istanbul auf der Basis der in „Was ist KiBiDaNO?“ erwähnten Reiseführer (deren Informationen zu diesem Bau freilich nicht einheitlich sind) in wenigen Sätzen darzustellen und in diesem Kontext einige technische Informationen einzufügen.
Der Beschluss, dort wo einst heidnische Tempel gestanden hatten, eine Basilika für den Christengott zu bauen und sie der göttlichen Weisheit zu weihen, fiel wohl im 20. Regierungsjahr des römischen Kaisers Konstantin (325 n.Chr.) nach dessen Sieg über den „Mit-Kaiser“ Licinius, der bis dahin Herr des östlichen Teils des Imperium Romanum gewesen war. Der größte Teil dieser ersten Basilika entstand freilich erst zwischen 332 und 337 n.Chr., als Konstantin bereits als Alleinherrscher anerkannt war, die strategisch ideal am Goldenen Horn gelegene Stadt Konstantinopel gegründet und diese zur Reichshauptstadt gemacht hatte. Unter seinem Sohn und Nachfolger Konstans wurde diese erste Kirche der heiligen Weisheit dann die Bischofskirche (Kathedrale) von Konstantinopel.
Ein kirchenpolitischer Konflikt infolge der Verbannung des Patriarchen Johannes Chrysostomos aus Konstantinopel (dieser stand den Origenisten nahe) führte dazu, dass diese erste Kirche der heiligen göttlichen Weisheit unter dem Kaiser Arcadius im Rahmen des Streits um die Verbannung des Patriarchen einem Brand zum Opfer fiel. Unter Theodosius II., dem Sohn des Arcadius, erfolgte ein Wiederaufbau der ersten Bischofskirche, die allerdings – vielleicht als Reaktion auf den erwähnten Konflikt – der heiligen Irene (Hagia Eirene) geweiht war (Eirene ist das griechische Wort für Friede). Aber auch sie wurde rund 100 Jahre später das Opfer eines Brandes – diesmal im Zusammenhang mit dem Nika-Aufstand.
Justinian, dem mächtigsten Kaiser nach Konstantin d.Gr., gelang es, den Aufstand niederzuschlagen. Als Symbol der Vormachtstellung Konstantinopels im Römischen Reich gab er daraufhin den Befehl, an der Stelle der niedergebrannten Basilika das „größte Gotteshaus“ seit der Schöpfung zu errichten und legte selbst den Grundstein. Dass er es auch war, der im Altarraum (Naos) ein Omphalion anbringen ließ, das die Mitte der Erde, den sprichwörtlichen Nabel der Welt, markiert, ist nicht auszuschließen. Eine einfache Basilika wäre für ihn jedenfalls zu gewöhnlich gewesen: Um seinen universellen Machtanspruch zu symbolisieren, musste es eine Kuppelbasilika sein, also ein Bau, in dem die beiden bekannten Typen für Repräsentationsbauten – rechteckige Basilika und Kuppelbau über einem Quadrat – kombiniert sind. Das Rechteck weist (geschätzt) eine Länge von 80 m und eine Breite von 75 m auf.
(Die Angaben zur Größe unterscheiden sich in den Reiseführern erheblich; im Blick auf die Lage der vier Pfeiler, die die Kuppel tragen, bieten sie aus naheliegenden Gründen ohnehin keine Angaben: Die Pfeiler sind ohnehin so massiv, dass man angeben müsste, ob man das gedachte Maßband an der Seite oder der Mitte des Pfeilers angelegt hat. Klar ist nur, dass deren Abstand zu den Seitenwänden nicht gering ist: ca. 1,5 bzw. 1,8m).
Als Architekten wurden zwei Mathematiker – Anthemios von Tralles und Isidoros von Milet – beauftragt, was insofern ein kluger Schachzug war, als diese es schafften, die außergewöhnliche Größe der Kuppel, die nur auf vier Pfeilern aus Kalkstein ruht, deren Teile mit Eisenklammern zusammengehalten werden, so zu berechnen, dass diese die gelegentlichen Erdbeben in der Region bis heute einigermaßen gut überstanden hat. – Um seinen Anspruch, den ganzen östlichen Mittelmeerraum und Italien zu beherrschen sinnfällig zu dokumentieren, befahl Justinian zudem den Import von Säulen aus dem Artemis-Tempel von Ephesos; als Re-Import aus Rom kamen dazu auch noch 8 Säulen aus grünem Marmor, die einst im Auftrag Aurelians von Baalbek nach Rom geschafft worden waren.
Bis die Osmanen unter Mehmed II. Fātiḥ (Mehmed, dem Eroberer) 1453 Konstantinopel eroberten, blieb die Hagia Sophia danach die wichtigste Kirche im Byzantinischen Reich, d.h. sie wurde das zentrale Heiligtum der Orthodoxen Kirche und fungierte als Hauptkirche der Stadt Konstantinopel und als Krönungskirche der byzantinischen Kaiser. Der Osmane ließ rasch alle christlichen Insignien, Inneneinrichtungen, Dekorationen und Glocken aus der Hagia Sophia entfernen und verwandelte die Kirche in eine Moschee. Dies blieb sie, bis 1934 der Ministerrat der nach dem 1. Weltkrieg gegründeten Republik Türkei eine religiöse Nutzung des Baus untersagte. Kemal Atatürk lag viel daran, die Strukturen des osmanischen, muslimisch geprägten Staates zu tilgen und die Türkei zu einem säkularen Staat zu machen. So wurde beschlossen, die Moschee zu einem Museum zu machen. Im Jahre 2020 wurde diese Änderung dann unter dem Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan wieder rückgängig gemacht; seither dient der Bau wieder als Moschee.
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