In einer Seitengasse der Abteilung "Bekleidung" im Großen Basar von Teheran. Verkauft wird hier Bekleidung für Frauen.
Sachl. Kontext:
Ein Basar – im arabischen Raum wird ein derartiger Universalmarkt Suq genannt – ist so etwas wie eine Stadt in der Stadt mit eigenständigen Kommunikationsstrukturen...
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Ein Basar – im arabischen Raum wird ein derartiger Universalmarkt Suq genannt – ist so etwas wie eine Stadt in der Stadt mit eigenständigen Kommunikationsstrukturen und Menschen mit einer eigenen Lebensform. Leicht übertreibend könnte man formulieren, dass im Basar bzw. Suq eine ganz besonders soziale Form der Marktwirtschaft erfunden worden ist: Dank der räumlichen Nähe aller Geschäfte der gleichen Warengruppe kann der Kunde Preise und Qualität unmittelbar vor Ort vergleichen, dies um so mehr, als er Lebensmittel kosten und Kleider anprobieren kann, ohne deshalb sofort zu einem Kauf des Objekts genötigt zu werden; überdies kann, ja muß er über den Preis verhandeln und kann ihn so mit bestimmen. Das Eigeninteresse der benachbarten Händler sorgt – zusammen mit dem durch Laufburschen, Kleinhändler ohne eigenen Laden wie z.B. Teeverkäufer gewährleisteten raschen Informationssystem – für eine wirksame soziale Kontrolle. Letztere funktioniert nur dann nicht, wenn ein Kunde ohne Kenntnis von bzw. ohne Respekt vor den Regeln des Handelns im Basar auftritt.
Der südlich des Golestan-Palastes im historischen Zentrum von Teheran gelegene Große Basar (Bâzâr-e Bozorg) ist seit der Zerstörung des Suq von Aleppo in den Wirren des syrischen Bürgerkriegs mit einer Fläche von ca. 200 ha wohl als der größte überdachte Basar des Orients anzusprechen. In politischer Hinsicht ist (oder zumindest war) der Basar von großem Einfluß: Ohne die Unterstützung der Basaris wäre die islamische Revolution von Imam Khomeini wohl kaum gelungen – auf jeden Fall hätte sie mehr Zeit in Anspruch genommen und wäre wohl auch blutiger verlaufen.
In jüngerer Zeit hat der Basar seine zentrale Bedeutung für die Versorgung der Stadt Teheran verloren – nicht nur weil die Stadt mittlerweile 12 (zusammen mit der Agglomeration sogar mehr als 20) Millionen Einwohner zählt. Trotz seiner immer noch rund 30000 Geschäfte ist der Basar schlicht zu klein für eine Metropole dieser Größenordnung. Ein weiterer Grund für den Bedeutungsverlust ist die zunehmende Spaltung der Stadt in den reichen und – was die Schadstoffbelastung der Luft betrifft – einigermaßen sauberen Norden und den armen, stark verschmutzten Süden. Greift im Norden mehr und mehr westlicher Lebensstil um sich, und bestimmen von daher glitzernde Verkaufspaläste wie in den westlichen Metropolen das Bild, blieb der Süden von derartigem "Fortschritt" verschont. Weil dort indes immer neue Elendssiedlungen für Landflüchtlinge entstehen, die in der Metropole Arbeit und Verdienst suchen, änderten sich auch die Kaufgewohnheiten: Die Basaris mußten ihr Warenangebot (zumindest partiell) an die geringere Kaufkraft ihrer Kunden anpassen – der Basar verlor an Attraktivität für die Oberschicht. Ja, jüngere Reiche aus dem Norden wollen nichts mehr mit dieser uralten Form des Handels zu tun haben. Diese Erfahrung machten jedenfalls die Teilnehmer der Summerschool 2005: Die aus Nord-Teheran stammenden Begleiterinnen der Kieler Gruppe waren ihrer Auskunft nach vorher noch nie im Großen Basar gewesen und konnten überhaupt nicht verstehen, wie man als Europäer dem Basar einen Besuch abstatten kann. Im Norden der Stadt könne man doch viel besser zum Shopping ausgehen als in den schmuddeligen Basargassen ...!
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