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MyCoRe ID: | kibidano_kibpic_00015405 |
Titel: | Qasr el-Halabat / Kleiner Hof / Zisterne |
Landessprachlich: | قصر الحلابات / الفناء الصغير / جب |
Provinz/Region: | Az-Zarqa
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Haschemitisches Königreich Jordanien |
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Photograph: | Rüdiger Bartelmus |
Aufnahmedatum: | 29.08.2008 |
Texte: | Rüdiger Bartelmus |
Beschreibung: | Der Kleine Hof im NW des Qaṣr al-Ḥallābāt, umgeben von kleineren Räumen, deren einer mit einer Art von Arkaden vom Hof abgetrennt ist; die rekonstruierten Bögen trugen einst die Decke über den Räumen im Erdgeschoß. Im Hof selbst befindet sich ein kleiner Brunnenschacht, über den Wasser aus der unter der Anlage befindlichen Zisterne geschöpft werden konnte. |
Sachl. Kontext: |
Der zweistöckige Bau des ca. 50 km nordöstlich von Amman in der Wüstensteppe gelegenen Qaṣr al-Ḥallābāt ist keine genuin umayyadische Anlage. Das Wüstenschloß...
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Der zweistöckige Bau des ca. 50 km nordöstlich von Amman in der Wüstensteppe gelegenen Qaṣr al-Ḥallābāt ist keine genuin umayyadische Anlage. Das Wüstenschloß geht vielmehr – ähnlich wie wie Qasṭal bzw. Qaṣr al-Ḥeir al Ġarbi in Syrien – auf ein römisches Kastell zurück. Ja, in diesem Fall scheinen die Römer einen älteren nabatäischen Außenposten zu einem Kastell umgebaut zu haben, das später (unter Caracalla) festungsartig ausgebaut und auch noch unter den Byzantinern militärisch genutzt wurde. Für kurze Zeit diente die Anlage auch als christliches Kloster, um dann zu Beginn des 8. Jh.s n.Chr. von den Umayyaden in einen feudalen Landsitz umgebaut zu werden, zu dem auch eine (östlich vom Kastell gelegene) prächtige Moschee gehörte. Ermöglicht wurde die intensive Nutzung des mitten in der Wüste gelegenen Schlosses dadurch, daß Wasser aus einer nahe gelegenen Quelle über ein kompliziertes System von Kanälen und Aquädukten direkt in die Anlage geleitet wurde. Unter den Abbasiden wurde der nahezu quadratische Bau (Außenmaße: 42x43m) nicht mehr als "Zweit-Wohnsitz" des jeweils herrschenden Kalifen genutzt. Das führte dazu, daß Schloß und Moschee nach und nach verfielen – ohne regelmäßige Wartungsarbeiten an der "Wasserleitung" durch gut ausgebildete (und ebenso bezahlte) Fachleute für Wasserbau in der Wüste war die Anlage nicht mehr nutzbar. Erst zu Beginn des 3. Jtsd.s entschloß sich die jordanische Altertümerverwaltung dazu, hier umfangreiche Maßnahmen zur Konservierung der Bausubstanz, verbunden mit Restaurierungsarbeiten durchzuführen. Touristisch gesehen steht Qaṣr al-Ḥallābāt trotz der umfangreichen Restaurierungen aber immer noch nicht auf einer Stufe mit Qaṣr al-Azraq oder Quṣair ʿAmra, was angesichts der langen, wechselvollen Geschichte der Anlage freilich nur schwer zu verstehen bzw. zu bedauern ist.
Nimmt man die Vielfalt der architektonischen Elemente und anderer Aspekte an den gemeinhin Wüstenschlösser genannten Bauten wahr, verwundert es nicht, daß in der Forschung sehr unterschiedliche Theorien entwickelt wurden, zu welchem Zweck diese Anlagen von den Umayyaden errichtet wurden: Je nachdem, welches Merkmal ein Forscher in den Mittelpunkt seiner Theoriebildung rückte, wurde postuliert, ihr Bau sei aus militärischen, sozialpsychologischen, wirtschaftlichen, medizinischen oder politischen Beweggründen heraus erfolgt – auch Kombinationen aus diesen Aspekten wurden vertreten.
Da einige von den Wüstenschlössern auf römische Kastelle zurückgehen bzw. zumindest im Umfeld militärisch wichtiger Straßen liegen, und die entsprechenden Bauten zudem gut befestigt wirken, ging man lange von der Annahme aus, die Umayyaden hätten die römisch-byzantinische Wehrdoktrin unverändert übernommen, gemäß der militärische Stützpunkte in der Wüste für die Verteidigung der Grenzen im Osten zwingend notwendig sind. Bei genauerem Hinsehen erwies sich indes, daß die dicken Mauern und Türme allenfalls als Schutz vor militärisch wenig potenten Angreifern geeignet waren. Eine aktive Auseinandersetzung mit einem regulären Belagerungsheer wäre angesichts der Konstruktion der Bauten kaum möglich gewesen. – Alois Musil, der die Wüstenschlösser für die westliche Forschung gewissermaßen "wiederentdeckte", vertrat dem gegenüber die These, die Umayyaden hätten sich nur sehr ungern von ihren beduinischen Wurzeln gelöst und wären daher so oft wie möglich in die Wüste zurückgekehrt; in Zeiten, in denen in den Städten ansteckende Krankheiten wie die Pest wüteten, wäre dieses emotionale Motiv auch noch rational verstärkt worden: Die Wüstenschlösser wären demgemäß so etwas wie Sommerresidenzen und Zufluchtsorte gewesen. – Auf der Basis von zeitgenössischen Berichten über das laszive Treiben der Umayyaden und unter dem Eindruck von Bildern aus Quṣair ʿAmra wurde diese Theorie sozialpsychologisch dahingehend weiterentwickelt, daß die Kalifen die Abgeschiedenheit der Wüste dazu nutzten, hier fern der Kontrolle durch die Öffentlichkeit bzw. durch die muslimische Geistlichkeit Lustbarkeiten zu genießen, die Muslimen verboten waren. – Wieder andere Forscher nahmen die perfekte Versorgung der Wüstenschlösser mit Wasser zum Anlaß, in ihnen eine Art landwirtschaftliche Staatsdomänen zu sehen: Einen konkreten Ansatzpunkt für die Entwicklung dieser Theorie boten etwa die Gegebenheiten in Qaṣr al-Ḥeir aš-Šarqi; aber auch die perfekte Wasserversorgung von Qaṣr al-Ḥallābāt ließe sich als Argument für diese Theorie anführen. Dazu fügt sich gut der religiös-politische Aspekt, daß die umayyadischen Herrscher als Muslime andere Muslime nicht enteignen durften: Landbesitz als Basis der Macht ließ sich praktisch nur in der Wüste ohne größere Probleme erwerben; er ließ sich bei einer entsprechenden Versorgung mit Wasser dann natürlich auch wirtschaftlich nutzen. Angesichts der architektonischen Anlage der Wüstenschlösser nach dem für Städte typischen Beit-System – mehrere geschlossene Wohneinheiten von fünf und mehr Räumen sind um einen Hof in der Mitte des Gebäudes angeordnet – und der prächtigen Repräsentationsräume spricht indes wenig für diese Theorie. – So dürfte am ehesten die verschiedene Aspekte kombinierende Vermutung von Heinz Gaube zutreffen, die Umayyaden hätten die Wüstenschlösser als Orte einer rotierenden Hofhaltung in die Wüste gesetzt, um so eine Kontrolle auch über die Nomaden in ihrem Herrschaftsgebiet ausüben zu können: Den beduinischen Stammesführern, die zu Beratungen oder Festen in die prächtigen Residenzen kamen, konnte hier sinnenfällig (und in der gleichen Form wie den Städtern) die Bedeutung und Macht ihrer Oberherren demonstriert werden; daß die Kalifen so das politisch Nützliche mit dem Angenehmen (Jagd, gutes Klima, geringe Sozialkontrolle) verbinden konnten, war zweifellos ein weiterer Beweggrund für die Errichtung der Wüstenschlösser bzw. für den Umbau von römischen Kastellen in palastartige Bauten.
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Objekte: | Palast / Schloß, قصر, Qaṣr, Qasr, Quasr, Ḳaṣr, Kasr, Qazr, Pl. قصور, Deminutiv قصير, Quṣūr, Quṣair, Quṣayr, Quṣeir, Ḳuṣejr, Quseir, Quser, Qusayr, سراى, sarāy, Saray, Serail, Palace, Castle |
Personen: | Umayyaden, الأمويون, بنو أمية, Banū Umayya, al-Umawīyūn, Umayyad, Umayaden, امویان, Umajaden, Umajjaden, Umaijjaden, Umaijaden, Umaiyaden, Umaiyyaden, Umeyyaden, Umiyaden, Umijaden, Ummayyaden, Ummayaden, Ummaiyaden, Umayiden, Umayyiden, Umajiden, Ummayyiden, Ummayiden, Omayyaden, Omayaden, Omaiyaden, Omajaden, Omaijaden, Omajjaden, Omaijjaden, Omaiyyaden, Omajjiden, Omajiden, Omayiden, Omayyiden, Omaijiden, Ommayyaden, Ommayaden, Ommajaden, Ommajjaden, Ommaijaden, Ommejaden, Ommeyaden, Ommijaden, Omeijaden, Omeiyaden, Omeyaden, Omejaden, Omijaden, Omijjaden, los Omeyas, Omeyyades, Umayyah, al-Umawiyyūn, Banu Umaiya, Umawiyun, |
Ortslage: | al-Hallabāt, al-Halabat, el Hallabāt, Quṣayr al-Ḥallābāt, قصر الحلبة, Qasr Hallabat |
Provinz: | Az-Zarqa, محافظة الزرقاء, Muḥāfaẓat az-Zarqāʾ, Mohafazat az-Zarqā, Muhafazat az-Zarqa, ez-Zergā, ez-Zer'a, Zarka, Zerqa, ez-Zerka, Zerka, Zurqa |
Land: | Haschemitisches Königreich Jordanien, الأردنّ, المملكة الهاشمية الأردنية, al-Mamlaka al-Hāšimīya al-Urdunnīya, al-Urdunn, Al-Mamlakah al-Urdunniyyah al-Hāšimiyyah, al-Mamlaka al-Urduniyya al-Hāschimiyya, Al-Urdonn, Hashemite Kingdom of Jordan |
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Literatur u.a.: | K.A.C. Creswell, Early Muslim Architecture, Vol. II, Oxford 1932 (2nd Edition 1969), 578-606 |
Publizist: | KiBiDaNO |
Aufnahme-Kontext: | Syrien-Jordanien-Exkursion 2008 der Theologischen und Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unter der Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Bartelmus und Prof. Dr. Ulrich Hübner (Institut für Alttestamentliche Wissenschaft und Biblische Archäologie), Prof. Dr. Anja Pistor-Hatam (Institut für Orientalistik, Lehrstuhl für Islamwissenschaft) und Prof. Dr. Josef Wiesehöfer (Institut für Altertumswissenschaft) |
Kategorien: | Repräsentationsbauten, 8. Jh. n. Chr., Wüsten, Az-Zarqa |
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Letzte Änderung: | 09.04.2013 |
Statische URL: | https://applux05.rz.uni-kiel.de/kibidano/receive/kibidano_kibpic_00015405 |
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