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MyCoRe ID: | kibidano_kibpic_00014101 |
Titel: | Hatra / Maran-Tempel / Detail |
Landessprachlich: | الحضر/ معبد |
Ort: | Hatra |
Provinz/Region: | Ninawa
-
Republik Irak |
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Photograph: | Rüdiger Bartelmus |
Aufnahmedatum: | 11.09.1976 |
Texte: | Rüdiger Bartelmus |
Beschreibung: | Die von einer "syrischen Archivolte" (Sommer) gekrönte Giebelfront des sog. "Hellenistischen Tempels" – des Tempels des mit dem Sonnengott identifizierten Māran. |
Sachl. Kontext: |
Anders als die meisten Ruinenstätten im Irak spielte Hatra nur für kurze Zeit eine Rolle in der Geschichte des alten Vorderen Orients; es gehört auch nicht...
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Anders als die meisten Ruinenstätten im Irak spielte Hatra nur für kurze Zeit eine Rolle in der Geschichte des alten Vorderen Orients; es gehört auch nicht zu den zahlreichen Ortslagen im Irak, mit denen man gemeinhin entscheidende Weichenstellungen für die Entwicklung der Menschheit verbindet. Dennoch wurden die Ruinen dieser in der östlichen Jezira gelegenen einstigen Hauptstadt einer kleinen lokalen Dynastie im Verbund des Partherreichs 1985 zum seinerzeit einzigen Weltkulturerbe der Unesco im Irak erklärt: Anders als im Falle anderer – historisch gesehen ungleich wichtigerer – Stätten im Irak wie Uruk, Assur oder Babylon bekommt der Besucher hier nämlich ungewöhnlich gut erhaltene (bzw. nur sparsam restaurierte) Bauten / Objekte zu Gesicht. Sie erlauben einen hervorragenden Einblick in die religiösen bzw. kulturellen Gegebenheiten im westlichen Teil des Reichs der Parther – des Reichs, das im Verein mit seinen Klientelkönigtümern der Expansion des römischen Weltreichs in den Osten mit wechselndem Erfolg Widerstand entgegensetzte.
In diesem Zusammenhang kommt Hatra eine besondere Bedeutung zu: Während Ktesiphon und Seleukeia am Tigris sowohl von Trajan als auch später wieder von Septimius Severus erobert werden konnten, leistete Hatra beiden Imperatoren höchst erfolgreich Widerstand und wurde so zu einer Art Vorposten des Widerstands gegen Rom. Daß die Römer dann doch noch für kurze Zeit eine Garnison in Hatra stationieren konnten (um 238 n.Chr.), verdankten sie keinem militärischen Erfolg, sondern dem Umstand, daß Ardashir (der Begründer des Reichs der Sasaniden) nach seinem Sieg über Artabanos IV. das parthische System der relativ eigenständigen "regna" unter der Oberherrschaft des "Königs der Könige" beseitigte. Um weiterhin halbwegs eigenständig bleiben zu können, hatte sich der letzte "König der Araber" (mlkʾ dy ʿrb), Sanaṭruq II., offenbar unter die Schutzherrschaft Roms begeben. (In der arabischen Tradition trägt dieser glücklose Herrscher den Namen König Ḍaizan). Im Verlauf der anfangs von wechselndem Kriegsglück gezeichneten Kämpfe zwischen Römern und Persern verblieb die Hatrene aber nur für wenige Jahre im römischen Einflußbereich: Ardashir (oder dessen Sohn Shapur I.) eroberte die Stadt nach längerer Belagerung (240 oder 241). Mit dem Sieg Shapurs I. über Valerian (260) wurde Rom dann für einige Zeit völlig aus Mesopotamien verdrängt. Zugleich verlor Hatra an Bedeutung, wurde als Stadt aufgegeben und verschwand im Verlauf der Jahrhunderte unter dem Flugsand am Rande der Wüstensteppe – letzteres der Hauptgrund für den guten Erhaltungszustand der antiken Bauten.
Wann genau die etwa 50 km östlich des Tigris im Wadi Tharthar gelegene, durch gute Quellen ausgezeichnete Karawanenstation als Stadt ausgebaut wurde, ob dies im Gefolge der Einrichtung eines oder mehrerer Heiligtümer erfolgte oder ob vornehmlich wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielten, ist nicht eindeutig zu klären. Man geht davon aus, daß der Ausbau im 1. Jh. v.Chr. begann – viele Gründe sprechen dafür, daß v.a. religiöse Aspekte hinter dem raschen Aufblühen standen. (Daß und wie weit religiöse und wirtschaftliche Aspekte allerdings in der Regel eng verflochten sind, läßt sich bis in die Gegenwart hinein unschwer belegen: Wallfahrtsorte sind wichtige Faktoren in der Wirtschaftsbilanz einer Region). Ab der Mitte des 1. Jh.s n.Chr. spielte die Stadt zwar eine gewisse Rolle im Karawanenhandel; weitaus wichtiger scheint aber gewesen zu sein, daß das Heiligtum des Sonnengotts Schamasch (in der lokalen aramäischen Tradition mit dem Himmelsgott Māran identifiziert) Wallfahrer anzog. Wie zentral dieser Aspekt war, ergibt sich aus dem Namen der Stadt: Auf Münzen erscheint die Stadt als ḥṭrʾ dšmš, als "eingefriedetes Gebiet des Sonnengottes". Die lokalen Potentaten trugen zunächst den Titel mryʾ (Herr; Herrscher), etwa ab 170 n.Chr. nannten sie sich mlkʾ (König). Vermutlich wurde ihnen dieser Titel vom parthischen Oberherrn zugestanden, um sich die Loyalität der so Ausgezeichneten zu sichern: Als Könige standen sie nämlich in einem besonderen Verhältnis zu den Göttern und konnten von daher eine unbedingte Loyalität ihrer Untertanen, insbesondere des Kultpersonals an dem zu einem bedeutenden Wallfahrtszentrum herangewachsenen Bait Alaha erwarten. Dieser gigantische Sakralkomplex von etwa 435x320m (die Temenos-Mauer ist nicht exakt rechteckig) war bereits früher entstanden – den Terminus ante quem markiert eine Inschrift des mryʾ Naṣrū an einem der Tore in der nördlichen Mauer des Komplexes, die auf 137/138 n.Chr. datiert werden kann (Inschriften innerhalb des Temenos sind noch älter). Allein in diesem Komplex befanden sich – verteilt auf drei Teilhöfe – wenigstens sieben Tempel (die genaue Funktionsbestimmung einiger Gebäude ist offen), darunter der dem Hauptgott der hatrenischen Trias, Māran, geweihte, aufgrund seiner architektonischen Besonderheit zumeist als hellenistischer Tempel bezeichnete (relativ junge) Bau vor der Trennmauer zwischen dem quadratischen Vorhof und den beiden westlichen Teilhöfen, sowie der (historisch gesehen wohl wichtigere) quadratische Tempel des Sonnengotts ganz im Westen der Anlage, der nunmehr freilich von dem davor gesetzten sog. "Iwankomplex" optisch fast erdrückt wird. Neben diesem Hauptheiligtum sind – verteilt über die ganze Stadt – noch wenigstens zwölf weitere Tempel nachgewiesen (sie gehören zumeist dem altmesopotamischen Typ des Breitraumtempels an): Die Vermutung, die kurze Blüte der Stadt sei vor allem religiösen Aspekten zu verdanken gewesen, verdichtet sich von daher beinahe zur Gewißheit. Dies gilt um so mehr, als dann unter den Sasaniden der Zoroastrismus zwar nicht die offizielle Staatsreligion wurde, aber doch erheblich an Einfluß gegenüber älteren Kulten gewann, so daß Heiligtümer von Astralgottheiten dementsprechend an Bedeutung einbüßen mußten; parallel (bzw. in Konkurrenz dazu) breitete sich überdies zunehmend auch das Christentum in der Region aus – für Wallfahrten zum Sonnengott fehlte damit weitgehend das Publikum.
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Objekte: | Tempel, معبد, هيكل, Maʿbad, Mabad, Ma'bad, Maabad, Haykal, Haikal, Pl. معابد, هياكل, Hayākil, Maʿābid, Temple |
Personen: | Ardashir, اردشیر, Ardašīr, Ârdaxšîr, Ardaxšēr, Artaxšatr, Artakhshathra, Ardasxhîr, Artashastra, Ṛtaxšaça, Ardaschir, Ardasheer, Ardesheer, Ardeshir, Ardeschir, Ardushir, Artaxerxes, Artaxares, ʾΑρταξέρξης, ʾΑρταξέσσης, ʾΑρτοξέρξης, Sasaniden, ساسانيان, Sāsānīyān, Sassaniden, Shapur, شاپور, Šāpūr, Shâpur, Schapur, Shahpur, Schahpur, Shapoor, Shapour, Schapour, Sapor, شابور, Šābuhr, Šābūr, Shabur, Shaboor, Shabour, Schabur, Schabour, Šamaš, Shamash, Helios, Maran |
Ortslage: | Hatra, الحضر, al-Ḥaḍr, Hadhar, Hadr, ḥṭrʾ |
Provinz: | Ninawa, محافظة نينوى, Muḥāfaẓat Nīnawā, Muhafazat Nînawa, Mohafazat Nínive, Nineve, Nineveh, Niniveh, Nynawa, Ninava, Neynewa, Ninwe, Ninaweh, Nineweh, Al-Mawsil, Mosul |
Land: | Republik Irak, الجمهورية العراقية, العراق, al-ʿIrāq, al-Ǧumhūrīya al-ʿIrāqīya, al-ğumhûriyya al-'irâqiyya, al-írâq, Irak, al-Dschumhūriyya al-'Irāqiyya, Al-Jumhuriyah Al-Iraqiyah, Iraq |
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Literatur u.a.: | M. Sommer, Hatra. Geschichte und Kultur einer Karawanenstadt im römisch-parthischen Mesopotamien, Mainz 2003, S.R. Hauser, Hatra und das Königreich der Araber, in: J. Wiesehöfer (ed.): Das Partherreich und seine Zeugnisse, Historia-Einzelschrift 122, Stuttgart 1998, 493-528 |
Publizist: | KiBiDaNO |
Aufnahme-Kontext: | Orientreise 1976: Türkei-Syrien-Irak (Rüdiger Bartelmus, Hans-Jürgen Hensel, Christiane Wendler) |
Kategorien: | Sakral, Vorchristlich/Vorislamisch, 3. Jh. n. Chr., Hatra, Stadt |
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Letzte Änderung: | 03.08.2010 |
Statische URL: | https://applux05.rz.uni-kiel.de/kibidano/receive/kibidano_kibpic_00014101 |
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