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MyCoRe ID: | kibidano_kibpic_00006811 |
Titel: | Aleppo / Zitadelle / Torbastion |
Landessprachlich: | حلب / قلعة حلب / بوابة |
Ort: | Aleppo (PHS) |
Provinz/Region: | Aleppo
-
Arabische Republik Syrien |
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Photograph: | Rüdiger Bartelmus |
Aufnahmedatum: | 03.09.2006 |
Texte: | Sybille Kambeck, Tom Fleischer, Rüdiger Bartelmus |
Beschreibung: | Blick vom Wall auf die Torbau und Bastei verbindende brückenartige Bogenkonstruktion an der Zitadelle.
Die Zitadelle von Aleppo (auf dem nach ihr benannten Hügel über der Stadt gelegen) war – so der Stand vor Beginn des Bürgerkriegs im Jahre 2011, auf den sich die folgende Beschreibung bezieht – das älteste dauerhaft genutzte Bauwerk der Stadt. Welche Teile der Zitadelle den 2011 ausgebrochenen Bürger- bzw. Religionskrieg überstanden haben (überstehen werden) und noch weiter nutzbar sind, lässt sich angesichts der unsicheren Lage in Sachen Information kaum zuverlässig einschätzen.
Die Zitadelle ist mit einem Graben umgeben, aus dem ein z.T. mit Steinplatten verschaltes stark geneigtes Glacis zu einer mächtigen, mit Wehrtürmen versehenen Ringmauer aufsteigt. In das Glacis ist im Norden und im Süden zu Verteidigungszwecken "extra muros" je eine Bastion eingesetzt. Der (einzige) Zugang ins Innere des Wehrbaus befindet sich im Süden; er besteht im wesentlichen aus dem vorgestellten Turm einer Bastei, an den eine Bogenkonstruktion anschließt, die über den Graben zum eigentlichen, dem oberen Torbau führt. An den Torbau schließt sich eine Palastanlage aus ayyubidischer Zeit an. Weitere wichtige Bauten sind eine große Zisterne, zwei Moscheen (Abraham-Moschee und Große Moschee; letztere gekrönt von einem 20m hohen quadratischen Minarett) und die sogenannte "ägyptische Kaserne".
Die Baugeschichte der Zitadelle von Aleppo (die durch die in Kibidano zusammengestellten Bilder so gut wie möglich dokumentiert ist) beginnt mit gründlichen Zerstörungen einer älteren Bebauung durch die Byzantiner (962 n.Chr.). Danach residierten die Hamdaniden (eine schiitische Lokaldynastie) auf dem Zitadellenhügel und begannen mit dem Aufbau einer Befestigungsanlage. Nachdem 1157 ein Erdbeben massive Schäden an dieser (nicht sonderlich stabilen) Konstruktion verursacht hatte, ordnete Nureddin an, eine den Erfordernissen der damaligen Wehrtechnik entsprechende Festung einzurichten. Unter dem Sultan Az-Zahir Ghazi, einem Sohn Saladins, wurden die Fortifikationen der Anlage noch einmal erheblich verstärkt. Auf dem Hügel entstanden zudem ausgedehnte Palast- und Verwaltungsbauten (Bauherr war hier al-ʾAziz, ein Enkel Saladins). Nach Zerstörungen durch die Mongolen (1260) restaurierten die Mamluken die Zitadelle in großem Umfang und fügten an den Palast einen prächtigen Thronsaal an. Die Zitadelle verlor auch nach einer erneuten Eroberung Aleppos durch die Mongolen (1400) nicht ihre strategische Bedeutung. Erst nachdem Aleppo 1517 in das Osmanische Reich eingegliedert worden war, verfiel der in der Folge nur noch als Kaserne genutzte Festungs- und Palastkomplex nach und nach, wurde aber vom Syrischen Altertümerdienst seit den siebziger Jahren des 20. Jh.s Zug um Zug wieder gründlich restauriert. Auch Grabungen fanden statt, um die Nutzung des Hügels vor der hier geschilderten Phase zu erschließen. |
Sachl. Kontext: |
Bereits in der Mitte des 3. Jtsd.s. v.Chr. war der ca. 50m hohe Hügel, auf dem sich die Zitadelle von Aleppo befindet, Zentrum einer größeren Siedlung....
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Bereits in der Mitte des 3. Jtsd.s. v.Chr. war der ca. 50m hohe Hügel, auf dem sich die Zitadelle von Aleppo befindet, Zentrum einer größeren Siedlung. Der markante Hügel wurde als Wohnsitz des (nord-) syrischen Wettergottes Hadad angesehen und so bald zu dessen zentralem Kultort. Im 18. Jh. v.Chr. wird Aleppo (Ḫalaba) in keilschriftlichen Dokumenten (v.a. aus dem mesopotamischen Raum und dem westlich von Aleppo gelegenen Alalaḫ) als Hauptstadt eines bedeutenden Stadtstaates mit Namen Yamkhad (Yamḫad; Jamchad) erwähnt. Die Phase der Selbständigkeit endete in der zweiten Hälfte des 16. Jh.s v.Chr.: Der Hethiterkönig Muršili I., der Babylon 1531 v.Chr. eroberte, dürfte den Feldzug dorthin schwerlich unternommen haben, ohne vorher Aleppo (Yamkhad) "neutralisiert" zu haben. Danach folgte eine kurze Phase der Abhängigkeit vom Reich von Mitanni. Im 14. Jh. v.Chr. gewannen wieder die Hethiter die Oberhand in (Nord-)Syrien: Anders als Tudḫaliya III., der nach einem Sieg über Mitanni noch einen Vertrag mit Aleppo schloss, eroberte dessen Nachfolger Šuppiluliuma I. die Stadt und gliederte sie in das hethitische Großreich ein. Nach einer längeren Phase erneuter Unabhängigkeit als Zentrum eines "späthethitischen" bzw. aramäischen Kleinstaats (ab ca. 1200 v.Chr.) eroberte der Assyrerkönig Salmanassar III. (858-824) die Stadt und bezog sie und ihr Umfeld in das den ganzen Nahen Osten umfassende neuassyrische Großreich ein, das wiederum rund 200 Jahre später an die Babylonier fiel, die ihrerseits nach etwa 100 Jahren von den Persern als Zentralmacht im Nahen Osten abgelöst wurden. Genauere Informationen über die Rolle Aleppos in dieser Phase der Geschichte, insbesondere in der Perserzeit, fehlen. Historisch greifbare Bedeutung gewann Aleppo erst wieder in der hellenistischen Zeit: Unter dem Diadochen Seleukos Nikator I. wurde die nunmehr Beroia genannte, quasi neu gegründete Stadt bald nach 300 v.Chr. zu einem wichtigen Handelszentrum. Diese Rolle behielt Aleppo auch während der Herrschaft Roms – Pompeius war es gelungen, Aleppo 69 v.Chr. in den römischen Herrschaftsbereich einzugliedern. Als im 4.Jh. n.Chr. Ostrom (Byzanz) an die Stelle von Rom trat, änderte sich so gut wie nichts an der Rolle von Aleppo als Handelsmetropole.
Relativ bald nach der muslimischen Eroberung (636 n.Chr.) wurde Aleppo dann aber für längere Zeit auch zu einem politischen Machtzentrum bedeutender Dynastien: Die Zengiden und Ayyubiden bekämpften von hier aus erfolgreich die Kreuzfahrer. 1260 fiel Aleppo an die Mongolen, die große Zerstörungen in der Stadt anrichteten. Unterbrochen von einem kurzem zweiten Überfall durch die Mongolen war die Stadt dann bis 1516 ein wichtiges administratives Zentrum des Mamlukenreiches, danach fiel sie an die Osmanen. In der Folgezeit verlor Aleppo an politischer Bedeutung, blieb aber ein immerhin ein Verwaltungszentrum; v.a. aber behielt die Stadt ihre Rolle als Metropole des Orient-Handels. In ihr konnten Menschen aus unterschiedlichsten Ethnien, gleichgültig ob sie muslimischen, christlichen, jüdischen oder eines anderen Glaubens waren, relativ konfliktfrei miteinander leben. Analoges galt bis ins frühe 20. Jh. für die gesamte – aus drei Sandschaks bestehende – Vilayet (Provinz) Aleppo, die damals bis weit in die heutige Türkei hinein reichte. Im Rahmen der Zerschlagung des Osmanischen Reiches auf der Basis des Sykes-Picot-Abkommens und der Wirren bis zur Gründung der Republik Türkei kam es in den schließlich der Türkei zugeschlagenen Sandschaks Marasch und Urfa zu Pogromen gegen Minderheiten, v.a. gegen die Armenier. In Aleppo selbst (und Teilen des zugehörigen gleichnamigen Sandschaks) blieben die Armenier und andere religiöse bzw. ethnische Minderheiten wie z.B. die Kurden weitgehend unbehelligt.
Im Verlauf des 20. Jh.s wuchs Aleppo – zunächst unter der französischen Mandatsverwaltung, dann als Teil der säkular orientierten Republik Syrien – zu einer Millionenstadt an: Am polyethnischen, religiös toleranten Charakter der Stadt änderte sich bis ins erste Jahrzehnt des 21. Jh.s nur wenig. Soziale Spannungen zwischen den Bewohnern der rasch wachsenden, architektonisch eintönigen Neubauviertel und den reicheren Bevölkerungsschichten in der Innenstadt waren freilich auch hier (wie praktisch überall in Großstädten dieser Dimension) schon im letzten Drittel des 20. Jhs. nicht zu übersehen. Parallel dazu entwickelten sich – zunächst unterschwellig – Spannungen zwischen der sunnitischen Mehrheit und dem Rest der Bevölkerung, die von den Golfstaaten und v.a. von Saudi-Arabien (aber auch von Seiten der Türkei) nach Kräften befördert wurden, und die 2011 dann in einen (im Westen wegen anfänglicher vereinzelter demokratischer Proteste fälschlich als Teil des sog. arabischen Frühlings interpretierten) Krieg zwischen mehr oder weniger radikalen sunnitischen Gruppen und der die säkulare Verfassung verteidigenden, autokratischen Zentralregierung ausmündeten: Ende 2016 war etwa die Hälfte der einst blühenden Metropole quasi dem Erdboden gleichgemacht; bereits in den Jahren davor waren Teile der Altstadt – darunter der Suq und das Minarett der Umayyadenmoschee – zerstört worden.
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Objekte: | Burg / Zitadelle, قلعة, Qalʿa, Qala'a, Qal'a, Qalaa, Quala'a, Qualaa, Qala, Quala, Kal'a, Ḳalʿa, Kalaa, Pl. قلاع, Qilāʿ, قلوع, qulūʿ, اقلع, eḳlāʿ, in Verbindung: Qalʿat, Qala'at, Qal'at, Qalaat, Quala'at, Qualaat, Qalat, Qualat, Kal'at, Ḳalʿat, Kalaat, Citadel, Festung, Fortress, Castle, Türkisch, Sandschak, سنجق, sanǧaq, سنجاق, sanǧāq, sanǧâq, Sanjaq, Sindjaq, Sanḏjak, Sandjak, sancağı, Sancak, لواء, Liwa, Liwā, liwâʾ |
Personen: | Nur ad-Din, نور الدين زنكي, Nūr ad-Dīn Zankī, Nuredin Zanki, Nur ad-Din Zangi, Nur ad-Din Zengi, الملك العادل نور الدين ابو القاسم محمود بن زنكي, al-Malik al-ʿĀdil Nūr ad-Dīn Abu l-Qāsim Maḥmūd b. Zengī, Al-Malik al-Adil Nur ad-Din Abu l-Qasim Mahmud ibn Zengi, Nūr al-Dīn Maḥmūd b. Zankī, Nur ad-Din Mahmud, Nur ed-Din, Nur al-Din, Nureddin, Nuraddin, Nuruddin, Osmanen, العثمانين, al-ʿUṯmāniyyūn, Osmanlılar, عثمانيلر, Osmânîler, Ottomans, Ottomanen, Saladin, صلاح الدين الأيوبي, Ṣalāḥ ad-Dīn al-Ayyūbī, Ṣalâh ad-Dîn, Salah ad-Din, Salah al-Din, Salâh ad-Dîn, Salah ed-Din, Salahaddin, Salahuddin, Salachaddin, Salaheddin, Selahadînê, Salahiddin, Salahddin, Salah ud Din, Salahudin, Salahedin, Selahaddin, Selaheddin, Selahuddin, Salahadin, Salahidin, Salahadeen, Salahedeen, Salahudeen, Salahideen, Salahdeen, Salahaddeen, Salaheddeen, Salahiddeen, Salahuddeen |
Ortslage: | Aleppo (PHS), حلب, Ḥalab, Halab, Ḫalab, Halaba, Hallaba, Chalba, Haleb, Ḫalpa, Halpa, Halap, Halep, Helep, Madinat Halab, Madînat Ḫalab, Khalepion, Haleppo, Aleppe, Alep, Alepo, Beroia, Beröa, Beroea, Berea |
Provinz: | Aleppo, محافظة حلب, Muḥāfaẓat Ḥalab, Muhafazat Halab, Mohafazat Halab, Halaba, Ḥalab, Aleppe, Alep, Alepo, Haleb, Haleppo |
Land: | Arabische Republik Syrien, الجمهورية العربية السورية, سورية, بلاد الشم, Bilād aš-Šām, Sūrīya, al-Ǧumhūrīya al-ʿArabīya as-Sūrīya, Bilâd aš-Šâm, Sûriyya, Al-Jumhuriya al-'Arabiya as-Suriya, Syrien, Syrie, Suria, Surija, Großsyrien, Greater Syria |
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Literatur u.a.: | H. Gaube, E. Wirth, Aleppo. Historische und geographische Beiträge zur baulichen Gestaltung, zur sozialen Organisation und zur wirtschaftlichen Dynamik einer vorderasiatischen Fernhandelsmetropole (= Beihefte zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Reihe B, Geisteswissenschaften, Nr. 58), Wiesbaden 1984, M. Fansa, H. Gaube, J. Windelberg (Hrsg.), Damaskus-Aleppo. 5000 Jahre Stadtentwicklung in Syrien, Mainz 2000, E. Wirth, Die orientalische Stadt im islamischen Vorderasien und Nordafrika. Städtische Bausubstanz und räumliche Ordnung, Wirtschaftsleben und soziale Organisation, 2 Bde., Mainz 2000, Ḫair ad-Dīn al-Asadī, Aḥyāʾ Ḥalab wa-Aswāquhā. Dimašq/Bairūt 1990, 211-216. |
Publizist: | KiBiDaNO: Kieler Bilddatenbank Naher Osten |
Aufnahme-Kontext: | Syrienexkursion 2006 der Theologischen und Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unter der Leitung von Prof. Dr. Rüdiger Bartelmus (Institut für Alttestamentliche Wissenschaft und Biblische Archäologie) und Prof. Dr. Anja Pistor-Hatam (Institut für Orientalistik, Lehrstuhl für Islamwissenschaft) |
Kategorien: | Fortifikation/Militär, 13. Jh. n. Chr., 14. Jh. n. Chr., 15. Jh. n. Chr., 16. Jh. n. Chr., 20. Jh. n. Chr., 21. Jh. n. Chr., Aleppo (PHS), Stadt |
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Letzte Änderung: | 03.02.2017 |
Statische URL: | https://applux05.rz.uni-kiel.de/kibidano/receive/kibidano_kibpic_00006811 |
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