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MyCoRe ID: | kibidano_kibpic_00013751 |
Titel: | Beirut / Kriegsfolgen |
Landessprachlich: | بيروت / عواقب الحرب |
Ort: | Beirut (HS) |
Provinz/Region: | Beyrout
-
Libanesische Republik |
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Photograph: | Angelika Vogel (Bartelmus) |
Aufnahmedatum: | 28.08.1977 |
Texte: | Rüdiger Bartelmus |
Beschreibung: | Trümmerlandschaft im Zentrum von Beirut. Das Leben geht aber trotzdem weiter: Die "natürlichen Ressourcen" werden so gut es geht eingesetzt. |
Sachl. Kontext: |
Verglichen mit Byblos, das zusammen mit Damaskus und Jericho zu den ältesten Städten der Welt gezählt wird, ist Beirut eine junge Stadt. Erstmals erwähnt...
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Verglichen mit Byblos, das zusammen mit Damaskus und Jericho zu den ältesten Städten der Welt gezählt wird, ist Beirut eine junge Stadt. Erstmals erwähnt wird Beirut in den Amarnabriefen, d.h. in Keilschrifttexten, die in Tell el-Amarna in Mittelägypten gefunden wurden und die die Korrespondenz babylonischer, assyrischer, mitannischer, hethitischer und anderer vorderasiatischer Herrscher mit Pharaonen der 18. Dynastie enthalten. Ihnen ist zu entnehmen, dass Beirut in dieser Zeit Zentrum eines von vielen phönikischen Stadtstaaten war (was durch neuere Grabungen im Stadtzentrum von Beirut auch archäologisch bestätigt wurde). Erhalten sind u.a. drei Briefe, die Ammunira, der König von Beirut (damals Biʾrû bzw. Beʾerot genannt) an Amenophis IV. (Echnaton) sandte. Ihnen und mehreren anderen Briefen, die Rib-Addi, der König von Byblos (damals akkadisch Gubla bzw. phönikisch Gebal genannt) an den gleichen Adressaten und dessen Vorgänger Amenophis III. gerichtet hat, ist zu entnehmen, dass beide Städte im 14. Jh.v.Chr. von einem amurritischen Fürsten namens Aziru bedroht wurden, ja dass Rib-Addi vor diesem Feind nach Beirut fliehen musste. D.h. Beirut trat in dieser Zeit aus dem Schatten von Byblos und begann eine eigenständige politische Größe zu werden, wenn auch in einer genealogischen Verbindung mit dem Herrscherhaus von Byblos; in der Literatur wird diese Dynastie Gubliten bzw. Gibliten genannt. Belegt ist auch, dass Beirut mit Ugarit in Bezug auf den Handel mit Ägypten konkurrierte, bevor Ugarit im 12. Jh. im sog. Seevölkersturm aus der Geschichte des Nahen Ostens verschwand – ein Schicksal, das (wie neuere Grabungen belegt haben) Beirut erspart blieb.
Was das Ergehen Beiruts von da an bis zur Ankunft der Römer betrifft, ist wenig bekannt. In assyrischen bzw. in babylonischen Texten spielt Beirut so gut wie keine Rolle. Unter den phönikischen Städten, die im Zusammenhang mit den Eroberungen beim Zug Alexanders des Großen nach Ägypten gemeinhin erwähnt werden, fehlt Beirut. Unstrittig ist, dass Beirut danach eine Rolle im Seleukidenreich gespielt haben muss, was sich schon allein daraus ergibt, dass Beirut in dieser Zeit den griechischen Name Βηρυτός bekam. Recht eigentlich für die Römer gewann nicht Pompeius (wie gelegentlich behauptet), sondern Marcus Vipsanius Agrippa die Stadt, die danach zu Ehren der Tochter des Augustus den Namen Colonia Julia Augusta Berytus erhielt. In der Römerzeit wurde Beirut vor allem als Sitz einer bedeutenden Rechtsschule und als Stadt der Seidenweberei und das Seidenhandels bekannt; letzterer Umstand hatte zur Folge, dass die Stadt eine der bekanntesten und reichsten im Osten des Mittelmeerraums wurde, bis sie 551 n.Chr. durch ein Erdbeben und eine nachfolgende Flutwelle (einen "Tsunami") zerstört wurde.
Nachdem die Araber 635 eingenommen hatten, begann ein Wiederaufbau und damit zugleich ein erneuter Aufstieg der Stadt zu einem bedeutenden Handelszentrum. 1110 von den Kreuzfahrern unter Balduin I. erobert, verblieb sie nur relativ kurz in Händen derselben: Saladin gewann 1187 die Stadt für kurze Zeit wieder für die Muslime, die sie zehn Jahre später ein weiteres Mal an die Christen verloren, die im Rahmen des sog. deutschen Kreuzzugs einen Küstenstreifen von Tripolis bis Tyros eroberten. Amalrich I., der König von Zypern belehnte dann 1197 Johann von Ibelin mit der Herrschaft über Beirut, unter dessen Regentschaft die Stadt eine gewisse Blüte erlebte und auch Sitz eines Bistums wurde; die in diesem Zusammenhang erbaute, Johannes dem Täufer geweihte Kathedrale wurde nach dem Verschwinden der "Franken" aus dem Orient zu einer Moschee gemacht. Endgültig an die Muslime zurück – genauer an die Mamluken – fiel Beirut 1291. Die eigentliche Herrschaft über die Stadt übten allerdings in den folgenden Jahrhunderten häufig lokale Herrscher aus, zumeist Angehörige der drusischen Religionsgemeinschaft, einer Abspaltung von den Siebener-Schiiten (Ismailiten). Das änderte sich auch nicht wesentlich, als die Osmanen unter Selim I. 1519 die Mamluken besiegten. Einer von den lokalen Emiren, der Emir Fakhr ed-Din (1585-1636), schaffte es sogar, eigenständige politisch-wirtschaftliche Beziehungen mit Europa (v.a. mit Venedig) anzuknüpfen, und so Beirut wieder zu einer wohlhabenden Stadt zu machen. Unbeschadet dessen, dass die Osmanen den Versuch einer Lösung der Abhängigkeit von der Zentrale in Istanbul damit beendeten, dass sie Fakhr ed-Din gefangen nahmen und hinrichteten, verfolgten auch andere Emire in den folgenden Jahrhunderten – mehr oder minder erfolgreich – die gleiche Politik. Die engen wirtschaftlich-politischen Beziehungen Beiruts mit Europa führten dazu, dass sich die Stadt allmählich zu einem multikulturellen Zentrum im Nahen Osten entwickelte, in dem Muslime unterschiedlicher Denominationen, Christen und Juden relativ friedlich gemeinsam daran arbeiteten, den Wohlstand der Bevölkerung zu mehren. Der christliche Anteil der Bevölkerung vergrößerte sich stark, als 1860 in Damaskus und anderen Orten Großsyriens Pogrome gegen Christen ausbrachen. V.a. Maroniten flohen nach Beirut und wurden neben den Drusen, Sunniten und Schiiten zu einer politisch relevanten Größe, zumal sie maßgeblich daran beteiligt waren, dass Beirut zu einem Zentrum des Finanzwesens im Nahen Osten wurde. Ab 1888 wurde Beirut Zentrum eines Vilayets, das den gesamten Küstenstreifen von Latakia bis Akko und die Bekaa umfasste.
Im Gefolge der Auflösung des Osmanischen Reichs nach dem 1. Weltkrieg wurde an Frankreich (das zusammen mit England massiv in das Kriegsgeschehen im Nahen Osten eingegriffen hatte) vom Völkerbund die Mandatsverwaltung über ganz Syrien übertragen. Frankreich beschnitt in der Folge (unter Berücksichtigung der Verteilung der religiösen Gruppierungen) die Grenzen des einstigen osmanischen Vilayets Beirut im Norden und Süden und schuf so den État Grand de Liban mit der Hauptstadt Beirut, dem – anders als dem Rest Syriens – eine relative Eigenständigkeit als Republik zugestanden wurde. 1943 löste sich der Libanon offiziell aus der Abhängigkeit von der französischen Mandatsverwaltung und wurde ein unabhängiger Staat mit der Hauptstadt Beirut. Gut 30 Jahre lang profitierte zumindest Beirut (trotz des nach der Staatsgründung Israels aufkommenden Zustroms von Flüchtlingen bzw. Vertriebenen aus Palästina) von der gewonnenen Selbständigkeit, und der Libanon wurde – von Außenstehenden, die Beirut und Libanon in eins setzten – als die "Schweiz" des Nahen Ostens gesehen. Die innere Stabilität des Staates blieb freilich angesichts anhaltender Spannungen zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften und Volksgruppen und der Einflussnahme der umgebenden Staaten sowie anderer Mächte gering. In dem großen Bürgerkrieg, der ab 1975 mit kurzen Unterbrechungen bis 1990 dauerte, wurde Beirut im Zentrum weitestgehend zerstört. Wirklicher Friede kehrte auch danach weder im Lande noch in Beirut ein. Ob bzw. wann die Aufteilung der Stadt in einzelne "Kantone", in denen unterschiedliche politische bzw. religiöse Gruppierungen "das Sagen" haben, in absehbarer Zeit beendet werden kann, ist nicht absehbar – bildet doch die Methode, dass man im Zweifel lieber die Waffen sprechen lässt, einen zentralen Teil des Dialogs zwischen den Gruppierungen.
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Ortslage: | Beirut (HS), بيروت, Bayrūt, Bayrut, Bairut, Bairūt, Beyroūt, Beyrūt, Beyrut, Dschdeideh, Beirout, Beiroūt, Beiroot, Beyroot, Bayroot, Beyrouth, Bairout, Beyrout, Beruta, Berut, Biʾrû, Beʾerot, Be'erot, Berytos, Βηρυτός, Βέρυτος, Berytus, Colonia Iulia Augusta Felix Berytus, Barut, Baurim, Laodikeia in Kanaan |
Provinz: | Beyrout, محافظة بيروت, Muḥāfaẓat Bayrūt, Muhafazat Beirut, Mohafazat Bairut, Beyrut, Beirout, Beiroūt, Beiroot, Beyroot, Bayroot, Beyrouth, Bairout |
Land: | Libanesische Republik, الجمهورية اللبنانية, لبنان, al-Ǧumhūrīya al-Lubnānīya, Lubnān, al-Dschumhūriyya al-Lubnāniyya, al-Djumhūriyya al-Lubnāniyya, Libanon, Lobnan, Loubnan, Loubnān, Lebanon |
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Literatur u.a.: | O. Binst (Hrsg.), Die Levante. Geschichte und Archäologie im Nahen Osten, Köln 1999 |
Publizist: | KiBiDaNO |
Aufnahme-Kontext: | Orientreise 1977: Cypern-Libanon-Syrien-Jordanien-Israel-Jordanien-Syrien-Türkei (Rüdiger Bartelmus, Christa Edelhoff, Angelika Vogel, Peter Weyde) |
Kategorien: | Nutzbauten, 20. Jh. n. Chr., Beirut (HS), Stadt |
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Letzte Änderung: | 05.02.2017 |
Statische URL: | https://applux05.rz.uni-kiel.de/kibidano/receive/kibidano_kibpic_00013751 |
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