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MyCoRe ID: | kibidano_kibpic_00012452 |
Titel: | Qasr Tuba / Beit / Tonnengewölbe |
Landessprachlich: | قصر الطوبة / بيت / قبو |
Provinz/Region: | Amman
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Haschemitisches Königreich Jordanien |
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Photograph: | Ulrich Hübner |
Texte: | Florian Fitschen, Rüdiger Bartelmus |
Beschreibung: | Blick vom Tonnengewölbe über dem einzigen erhaltenen Gebäude im nördlichen Haupttrakt über die Ruinen des südlichen Haupttraktes zum Wadi al-Ġadaf und weiter in die Steinwüste. |
Sachl. Kontext: |
Etwa 100km südöstlich von Amman liegt mitten in der großen syrischen (arabischen) Wüste das unvollendete umayyadische Wüstenschloß Qaṣr ʾaṭ-Ṭūba. Als dessen...
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Etwa 100km südöstlich von Amman liegt mitten in der großen syrischen (arabischen) Wüste das unvollendete umayyadische Wüstenschloß Qaṣr ʾaṭ-Ṭūba. Als dessen Bauherr wird häufig al-Walid II. vermutet, der nur ein Jahr (743-744) regierte; das würde jedenfalls gut erklären, warum die Anlage nie vollendet wurde. Der heute nur noch in Teilen erhaltene Bau, der auf einer Grundfläche von ca. 155x78m angelegt war (an einigen Stellen waren geplante Mauern nie fertiggestellt worden), gliederte sich in zwei extrem langgezogene, aber schmale – außen durch Türme bzw. Torbauten optisch aufgelockerte – rechteckige Komplexe im Norden und Süden*. Zwischen diesen lagen – durch Mauern voneinander abgegrenzt – drei große Innenhöfe und vier kleinere Höfe; letztere grenzten im Osten und im Westen an die Außenmauer. Von ihnen aus konnte man in noch kleinere Höfe im nördlichen bzw. im südlichen Baukomplex gelangen, aus denen die einzelnen Räume des Beit zu erreichen waren. Jeder dieser Räume war durch ein Tonnengewölbe gegen Hitze und Kälte abgeschirmt. Die Giebelseiten der Tonnen lagen jeweils im Norden bzw. Süden; sie standen also optisch quer zur Außenfront. – Nimmt man den Umstand ernst, daß der Bau auf der Nordseite zwei Tore (mit Vorbauten) aufwies, von denen aus man nur in den östlichen bzw. westlichen großen Innenhof kam, kann man nachvollziehen, warum in der Literatur die Theorie vertreten wird, eigentlich seien zwei quadratische Bauten konzipiert worden, die quasi sekundär durch den von außen nicht zugänglichen Innenhof verbunden worden wären.
(*Die Anlage ist nicht exakt genordet; die Angaben der Himmelsrichtungen sind somit cum grano salis zu lesen: Wo im Text von Norden die Rede ist, ist Nordnordost gemeint etc.).
Nimmt man die Vielfalt der architektonischen Elemente und anderer Aspekte an den gemeinhin Wüstenschlösser genannten Bauten wahr, verwundert es nicht, daß in der Forschung sehr unterschiedliche Theorien entwickelt wurden, zu welchem Zweck diese Anlagen von den Umayyaden errichtet wurden: Je nachdem, welches Merkmal ein Forscher in den Mittelpunkt seiner Theoriebildung rückte, wurde postuliert, ihr Bau sei aus militärischen, sozialpsychologischen, wirtschaftlichen, medizinischen oder politischen Beweggründen heraus erfolgt – auch Kombinationen aus diesen Aspekten wurden vertreten. Da nun Bauten wie Qasṭal, Mšatta oder Qaṣr al-Ḥeir al Ġarbi entweder auf römische Kastelle zurückgehen oder zumindest im Umfeld militärisch wichtiger Straßen liegen, und die entsprechenden Bauten zudem gut befestigt wirken, ging man lange von der Annahme aus, die Umayyaden hätten die römisch-byzantinische Wehrdoktrin unverändert übernommen, gemäß der militärische Stützpunkte in der Wüste für die Verteidigung der Grenzen im Osten zwingend notwendig sind. Bei genauerem Hinsehen erwies sich indes, daß die dicken Mauern und Türme allenfalls als Schutz vor militärisch wenig potenten Angreifern geeignet waren. Eine aktive Auseinandersetzung mit einem regulären Belagerungsheer wäre angesichts der Konstruktion der Bauten kaum möglich gewesen, zumal die als Schießscharten (fehl-) interpretierten Öffnungen dank ihrer Positionierung und Form von Bogenschützen oder gar von Speerwerfern nicht zu gebrauchen waren: Es handelt sich bei ihnen schlicht um Lüftungsschlitze. – Alois Musil, der die Wüstenschlösser im 19. Jh. für die westliche Forschung gewissermaßen "wiederentdeckte", vertrat dem gegenüber die These, die Umayyaden hätten sich nur sehr ungern von ihren beduinischen Wurzeln gelöst und wären daher so oft wie möglich in die Wüste zurückgekehrt; in Zeiten, in denen in den Städten ansteckende Krankheiten wie die Pest wüteten, wäre dieses emotionale Motiv auch noch rational verstärkt worden: Die Wüstenschlösser wären demgemäß so etwas wie Sommerresidenzen und Zufluchtsorte. – Auf der Basis von zeitgenössischen Berichten über das laszive Treiben der Umayyaden und unter dem Eindruck von Bildern aus Quṣair ʿAmra wurde diese Theorie sozialpsychologisch dahingehend weiterentwickelt, daß die Kalifen die Abgeschiedenheit der Wüste dazu nutzten, hier fern der Kontrolle durch die Öffentlichkeit bzw. durch die muslimische Geistlichkeit Lustbarkeiten zu genießen, die Muslimen verboten waren. – Wieder andere Forscher nahmen die perfekte Versorgung der Wüstenschlösser mit Wasser zum Anlaß, in ihnen eine Art landwirtschaftliche Staatsdomänen zu sehen. (Den konkreten Ansatzpunkt für die Entwicklung dieser Theorie boten wohl die Gegebenheiten in Qaṣr al-Ḥeir aš-Šarqi). Dazu fügt sich gut der religiös-politische Aspekt, daß die Umayyaden als Muslime andere Muslime nicht enteignen durften: Landbesitz als Basis der Macht ließ sich praktisch nur in der Wüste ohne größere Probleme erwerben; er ließ sich natürlich bei entsprechender Versorgung mit Wasser auch wirtschaftlich nutzen. – Angesichts der architektonischen Anlage der Wüstenschlösser nach dem für Städte typischen Beit-System – mehrere geschlossene Wohneinheiten von fünf und mehr Räumen sind um einen Hof in der Mitte des Gebäudes angeordnet – und der prächtigen Repräsentationsräume spricht indes wenig für diese Theorie. – So dürfte am ehesten die verschiedene Aspekte kombinierende Vermutung von Heinz Gaube zutreffen, die Umayyaden hätten die Wüstenschlösser als Orte einer rotierenden Hofhaltung in die Wüste gesetzt, um so eine Kontrolle auch über die Nomaden in ihrem Herrschaftsgebiet ausüben zu können: Den Stammesführern, die zu Beratungen oder Festen in die prächtigen Residenzen kamen, konnte hier sinnenfällig (und in der gleichen Form wie den Städtern) die Bedeutung und Macht ihrer Oberherren demonstriert werden; daß die Kalifen so das politisch Nützliche mit dem Angenehmen (Jagd, gutes Klima, geringe Sozialkontrolle) verbinden konnten, war zweifellos ein weiterer Beweggrund für die Errichtung der Wüstenschlösser.
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Objekte: | Qaṣr ʾaṭ-Ṭūba, Quṣayr Tuba, Ḳaṣr aṭ-Ṭûba, Palast / Schloß, قصر, Qaṣr, Qasr, Quasr, Ḳaṣr, Kasr, Qazr, Pl. قصور, Deminutiv قصير, Quṣūr, Quṣair, Quṣayr, Quṣeir, Ḳuṣejr, Quseir, Quser, Qusayr, Palace, Castle |
Personen: | Umayyaden, الأمويون, بنو أمية, Banū Umayya, al-Umawīyūn, Umayyad, Umayaden, امویان, Umajaden, Umajjaden, Umaijjaden, Umaijaden, Umaiyaden, Umaiyyaden, Umeyyaden, Umiyaden, Umijaden, Ummayyaden, Ummayaden, Ummaiyaden, Umayiden, Umayyiden, Umajiden, Ummayyiden, Ummayiden, Omayyaden, Omayaden, Omaiyaden, Omajaden, Omaijaden, Omajjaden, Omaijjaden, Omaiyyaden, Omajjiden, Omajiden, Omayiden, Omayyiden, Omaijiden, Ommayyaden, Ommayaden, Ommajaden, Ommajjaden, Ommaijaden, Ommejaden, Ommeyaden, Ommijaden, Omeijaden, Omeiyaden, Omeyaden, Omejaden, Omijaden, Omijjaden, los Omeyas, Omeyyades, Umayyah, al-Umawiyyūn, Banu Umaiya, Umawiyun, , al-Walid II., الوليد بن يزيد, ʾal-Walīd ʾibn Yazīd, al-Walīd ibn Yazīd, Walid ibn Yazid |
Provinz: | Amman, محافظة العاصمة, Muḥāfaẓat al-ʿĀṣima, Mohafazat al-Aṣima, Muhafazat al-Asima |
Land: | Haschemitisches Königreich Jordanien, الأردنّ, المملكة الهاشمية الأردنية, al-Mamlaka al-Hāšimīya al-Urdunnīya, al-Urdunn, Al-Mamlakah al-Urdunniyyah al-Hāšimiyyah, al-Mamlaka al-Urduniyya al-Hāschimiyya, Al-Urdonn, Hashemite Kingdom of Jordan |
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Publizist: | KiBiDaNO |
Kategorien: | Nutzbauten, Repräsentationsbauten, 8. Jh. n. Chr., Wüsten, Amman |
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Letzte Änderung: | 27.03.2010 |
Statische URL: | https://applux05.rz.uni-kiel.de/kibidano/receive/kibidano_kibpic_00012452 |
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